Energie & Wasser

Turbulente Energiemärkte: EVL fängt Leverkusener Kunden auf

14.01.2022
Lesezeit: 7 min.

Die Energieversorgung Leverkusen GmbH & Co. KG (EVL) garantiert über die Ersatzversorgung eine unterbrechungsfreie Belieferung. Doch die Aufgabe stellt die EVL in Zeiten unbeständiger Energiebörsen vor Herausforderungen. Eine teurere Grund- und Ersatzversorgung sowie häufigere Preisanpassungen sind die Folge.

Das Ende der geschäftlichen Beziehungen kam jeweils nicht nur ohne Vorankündigung, es gab erst gar keine persönliche Nachricht: Der Gasanbieter gas.de hat Anfang Dezember kurzfristig alle Erdgaslieferverträge rückwirkend zum 3. Dezember beendet. Angekündigt per lapidarer Meldung auf der Homepage. Rund drei Wochen später folgte Stromio, ein Schwester-Unternehmen von gas.de und stellte die Belieferung ein. Für alle Kunden von gas.de und Stromio im Leverkusener Netzgebiet garantiert die Energieversorgung Leverkusen seitdem eine unterbrechungsfreie Belieferung. Diese Leistung nennt sich Ersatzversorgung. Da die EVL jeweils die meisten Kunden in der Stadt hat und damit der Grundversorger ist, springt sie automatisch ein und sichert so für mehrere hundert Betroffene in der Stadt die unterbrechungsfreie Strom- und Gasversorgung. Diese Leistung hat die EVL in der Vergangenheit auch nach Insolvenzen anderer Strom- und Gas-Wettbewerber, wie Teldafax übernommen. Zuletzt war die EVL vor rund drei Jahren nach einer Welle von Insolvenzen einiger Stromanbieter wie Deutsche Energie GmbH oder BEV Energie eingesprungen.

Terminmarkt vs. Spotmarkt: EVL kauft langfristig ein

gas.de und Stromio sehen sich auf der Unternehmens-Homepage „aufgrund der historisch einmaligen Preisentwicklung im Erdgasmarkt“ zu diesem Schritt gezwungen. „Zuletzt hat sich der Gaspreis für Lieferungen in der kommenden Winterzeit auf den Beschaffungsmärkten in der Spitze um mehr als 400 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht“, teilt das Unternehmen gas.de auf seiner Website weiter mit. Eine gleichlautende Erklärung steht bei Stromio.

Die drastische Preisentwicklung an den Energiebörsen hat – neben der steigenden CO2-Steuer – auch bei der EVL zu einer Erhöhung der Erdgas- und Strompreise zum 1. Januar 2022 geführt. Den Spitzen an den Beschaffungsmärkten wirkt der Grundversorger aber mit einer langfristigen Beschaffungsstrategie entgegen. „Wir kaufen unser Gas zu verschiedenen Zeitpunkten in Teilmengen und zum Teil Jahre im Voraus am Terminmarkt ein“, sagt Thomas Eimermacher, kaufmännischer Geschäftsführer der EVL. „Starke Veränderungen bei den Börsenpreisen wirken sich daher nicht unmittelbar und nicht 1:1 auf den Preis für Endkundinnen und -kunden aus.“

Neben den mit langfristiger Beschaffungsstrategie am Markt agierenden Energieversorgern gibt es auch Wettbewerber, die sich Gas und Strom kurzfristig am sogenannten Spotmarkt besorgen. Das lohnt sich vor allem in Zeiten niedriger Börsenpreise. So war die Kilowattstunde Gas 2020 am Spotmarkt durchschnittlich mehr als vier Cent günstiger als am Terminmarkt. Kampfpreise, bei denen die langfristigen Einkäufer nicht mithalten können, werden so möglich. In diesem Jahr ist die Kilowattstunde aber aufgrund der drastischen Preisentwicklung am Spotmarkt im Vergleich zum Terminmarkt mehr als neun Cent teurer. Energieversorger, die jetzt nicht langfristig eingekauft haben, müssen die Gaspreise für die Kunden entweder stark erhöhen und Kundenverluste einkalkulieren oder den Vertrieb direkt einstellen, um nicht in die Insolvenz zu gehen. „Die kurzfristige Beschaffungsstrategie solcher Unternehmen ist eine Wette auf niedrige Spotmarkt-Preise und daher augenscheinlich kein Geschäftsmodell, das langfristig funktionieren kann“, so Eimermacher weiter.

Die kurzfristige Beschaffungsstrategie solcher Unternehmen ist eine Wette auf niedrige Spotmarkt-Preise und daher augenscheinlich kein Geschäftsmodell, das langfristig funktionieren kann.“

Thomas Eimermacher, kaufmännischer Geschäftsführer der EVL

Das plötzliche und absichtliche Einstellen der Belieferung – die Unternehmen gas.de und Stromio der Grünwelt-Gruppe sind nicht insolvent – stellt aber nicht nur die Kunden, sondern auch die Grundversorger vor Herausforderungen. Nachdem Unternehmen wie Stromio oder gas.de die Energie-Belieferung eingestellt haben, mussten die Grundversorger wie die EVL für die betroffenen Kunden von heute auf morgen zusätzliche Strom- oder Gasmengen an den Spotmärkten der Energiebörsen einkaufen. Und das in einer Phase, in der die Energiepreise an den Börsen in nie da gewesene Höhen geschossen sind. Die EVL hat deshalb im Dezember kurzfristig neue und teurere Grund- und Ersatzversorgungen für alle Neukunden einführen müssen, da hunderte Kunden der Anbieter gas.de und Stromio nach dem Einstellen der Belieferung in die Ersatzversorgung der EVL gefallen waren. „Da wir die Energiebezugsmengen für diese Kundengruppe vorher nicht einplanen konnten, war dieser Schritt für uns unausweichlich, um wirtschaftlichen Schaden vom Unternehmen abzuwenden“, sagt der EVL-Geschäftsführer, der das Geschäftsgebahren der Billig-Anbieter kritisch sieht: „In dem Moment, in dem sich das Geschäftsmodell nicht mehr rechnet, steigen diese Billiganbieter aus und lassen ihre Kunden im Stich.“

Die Landeskartellbehörden in NRW und Niedersachsen haben im November in einer ersten Kurzbewertung auf Anfrage eines Stadtwerks die energie- und kartellrechtliche Zulässigkeit einer solchen Preisdifferenzierung bejaht. Am 13. Januar hat sich auch der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, geäußert. Laut einer dpa-Meldung sagte Mundt, dass er die Praxis der Tarifspreizung kritisch sehe, auch wenn ein gewisser Preisunterschied angesichts der derzeitigen Verwerfungen am Markt und der sehr hohen Beschaffungskosten gerechtfertigt sein könnte. Konkret wies er allerdings darauf hin, dass die Versorger unterm Strich ihre momentan stark erhöhten Beschaffungskosten decken können müssten. Dies dürfe aber nicht zu missbräuchlich überhöhten Preisen führen.

Auch bei Strom nahm die Preisentwicklung im vergangenen Jahr rasant zu. Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW)

Mittlerweile kann die Energieversorgung Leverkusen die Preise in der neuen Ersatz- und Grundversorgung wieder senken. Zum 1. März gehen die Preise in den Grund- und Ersatzversorgungen STROM@EVL:basis.öko.neu und ERDGAS@EVL:basis.öko.neu runter. Beim Strom fällt der Arbeitspreis um rund 40 Prozent oder von 75 auf 45 Cent pro Kilowattstunde (brutto), beim Gas um rund 12 Prozent oder von 15,97 auf 14,09 Cent (brutto) pro Kilowattstunde bei einem typischen Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden pro Jahr.

Neuer Tarif macht kurzfristige Wechsel möglich

Die Senkung in der neuen Grund- und Ersatzversorgung tritt erst zum 1. März in Kraft, da alle deutschen Energieversorger bei Tarifänderungen an eine gesetzliche Vorlauffrist von sechs Wochen gebunden sind. Für Kunden, die aktuell in der neuen Grund- und Ersatzversorgung sind und sofort von der Senkung profitieren wollen, gibt es ab dieser Woche für Strom und Gas neue Produkte mit Laufzeit bis zum 30. Juni 2022. Die Privatkunden-Zwischentarife ERDGAS@EVL:regio.Juni22 und STROM@EVL:regio.Juni22.öko haben jetzt schon die gleichen Konditionen wie die neue Ersatz- und Grundversorgung ab 1. März. Für die Bestandskunden ändert sich nichts. „Aus Diskriminierungsgründen behandeln wir seit Ende letzten Jahres alle Neukunden gleich, egal ob sie aus der Ersatzversorgung oder beispielsweise durch einen Zuzug in die Stadt zu uns kommen“, sagt Eimermacher.

Die Preissenkung möglich machten zuletzt wieder gefallene Börsenpreise und somit geringere Bezugskosten für die EVL. „Angesichts der Sondersituation machen wir die Markt- und Preisbeobachtungen zurzeit in noch kürzerer Taktung“, so Eimermacher weiter. Weitere kurzfristige Preisanpassungen und neue Produkte sind in diesem Jahr möglich. „Bewegen sich die Börsenpreise weiter nach unten, sind wir in der Grund- und Ersatzversorgung zum Weitergeben von Vorteilen bei den Bezugskosten gesetzlich verpflichtet.“

Im EVL-Kundencenter im Wiesdorfer City Point werden die Kunden vor Ort oder telefonisch persönlich beraten.

In den kommenden Tagen wird die EVL die betroffenen Kunden persönlich und ausführlich per Brief über die Preisänderungen informieren. Für Kunden, die Fragen oder Probleme bei der Preisanpassung haben, stehen die EVL-Mitarbeitenden vor Ort im City Point oder am Telefon unter 0214/8661 661 persönlich zur Verfügung und suchen nach einer gemeinsamen Lösung. Alle Infos zu den neuen Erdgas- und Strompreisen finden die Kunden in den kommenden Tagen über die Startseite der EVL-Homepage.