Ein Rückblick: EVL-Netzmeister im Gespräch nach der Flut
Stefan Müller (40) und Daniel Fischermann (38) sind als Netzmeister für die Energieversorgung Leverkusen (EVL) im Einsatz und kümmern sich im Alltag um Entstörung und Instandhaltung des Stromnetzes. Seit ihrer Ausbildung bei der EVL haben beide mehr als 20 Jahre Berufserfahrung gesammelt und die ein oder andere größere Hürde im Tagesgeschäft genommen. Dass die größte berufliche Herausforderung noch vor ihnen liegt, hätten beide am Morgen des 14. Juli nicht gedacht. Eine Bilanz – über viele Arbeitsstunden, starke Partner und große Solidarität.
Mit ein paar Wochen Abstand, habt ihr die Flutkatastrophe gut verarbeitet?
Daniel Fischermann: Die Müdigkeit war schnell aus den Knochen. Dennoch war ich froh, dass ich danach erst einmal ein paar Tage Urlaub in Kroatien machen konnte.
Stefan Müller: Urlaub war auch bei mir wichtig: In der Spitze haben wir bis zu 20 Stunden gearbeitet. Man lebt für eine Woche an seiner Familie und allen vorbei und hat kein Privatleben mehr. Du funktionierst in so einer Situation einfach nur und läufst auf Autopilot.
Wie habt ihr den Mittwoch, als der Starkregen kam, erlebt?
Fischermann: Ich hatte Rufbereitschaft und der Tag begann ganz ruhig.
Müller: Am frühen Nachmittag hatten wir nur Einsätze in Alkenrath. Da habe ich gar nicht mitbekommen, was im Hintergrund gerade passiert. Ab 16:00 Uhr ging die Post ab und dann krachte es an allen Ecken und Enden. Zum Abend hin kamen immer mehr Meldungen aus den Krisengebieten und das ganze Ausmaß der Situation wurde immer klarer.
Welche Einsatzschwerpunkte hattet ihr am Abend?
Müller: Zahlreiche Trafostationen und Schalthäuser standen schnell unter Wasser. Diese haben wir versucht zu schützen und von außen freizuschalten, wie das Schalthaus in der Fixheide, das 1,20 Meter unter Wasser stand. Da bin ich hingeschwommen. Zum Glück kam die Feuerwehr an der Stelle auch nicht weiter und konnte uns mit Sandsäcken helfen. Danach sind wir rüber zum Klinikum in Schlebusch. Dort mussten wir wegen des extrem schnell steigenden Wassers gegen 23:00 Uhr die Trafostation aufgeben. Um 23:14 Uhr sind die Uhren in Schlebusch dann stehen geblieben und es ist zu einem massiven Kurzschluss in der Trafostation im Klinikum gekommen und daraufhin zu einem Stromausfall in großen Teilen des Stadtgebiets.
Fischermann: In der Nacht sind wir nach Opladen und haben die Stromversorgung so umgeschaltet, dass das St. Remigius Krankenhaus Opladen versorgt bleibt. Wir wollten wenigstens ein Krankenhaus im Einsatz halten. Die nächsten beiden Tage bestanden dann aus Gefahrenabwehr. Erst am Samstag wurde der ganze Schaden sichtbar.
und wurden schnell wiederversorgt.
Die Schäden und Aufgaben, die dann auf euch zukamen waren immens, wie habt ihr das bewältigt?
Müller: Die Bilder vor Ort mit den ganzen Schäden waren heftig. So stelle ich mir Krieg vor. Wir haben im Netz viel verloren, aber als Unternehmen auch viel gewonnen. Die interne Solidarität und Hilfsbereitschaft waren großartig. Kollegen haben ihre Urlaube abgebrochen, sind aus anderen Abteilungen eingesprungen und haben an den Wochenenden mitgearbeitet. Wir hätten für uns keine bessere Teambuilding-Maßnahme finden können. Wenn es hart auf hart kommt, können wir uns aufeinander und die Expertise des Anderen verlassen.
Fischermann: Die Kollegen haben ohne mit der Wimper zu zucken alles mitgetragen und es uns Netzmeistern einfach gemacht. In so einer Situation können wir ja nicht überall sein und mussten auch Vertrauen schenken. Die Kollegen konnten wir laufen lassen und die Zusammenarbeit und das Teamwork waren einfach super. Genauso wie mit dem Krisenstab in der EVL-Zentrale. Dann war beim Einsatz in Leichlingen die Unterstützung durch die MEGA Monheim natürlich sehr hilfreich.
Wie haben die Betroffenen in den überfluteten Gebieten reagiert?
Müller: Die Anwohner haben gemerkt, dass sie die EVL jetzt brauchen und dass unsere Mitarbeiter an ihre Grenzen gehen und alles geben. Zusammen mit der hohen Präsenz vor Ort hat das viel Dankbarkeit ausgelöst. Im Gedächtnis ist mir eine ältere Dame geblieben, die unserem Kollegen in die Arme gefallen ist und geweint hat, nachdem er für sie einen Elektriker organisiert hat.
Fischermann: In Leichlingen war die Bevölkerung anfangs sehr genervt, weil sie neben dem Hochwasser keinen Strom hatten. Nach einiger Zeit hatten sie dann Verständnis und nachdem sie wiederversorgt waren, haben sie dich gefeiert. Das war großartig. In so einer Situation übernimmt man auch eine Seelsorgerfunktion. Viele Menschen hatten zehn Tage keinen Strom und es sind schlüsselfertige Neubau-Häuser zerstört worden.
Wie geht es jetzt weiter?
Fischermann: Die Fehlerbeseitigung beschäftigt uns immer noch. Aktuell arbeiten wir alle Listen mit den Nachwirkungen der Flut ab. Dazu kommen Folgeschäden: Manch überflutete Kabelstrecken haben erst Wochen später eine Störung, weil sie Wasser gezogen haben, das kondensiert. Für die Zukunft kann uns jetzt aber eigentlich nicht mehr viel schocken.
Müller: Die Nachwehen beschäftigen uns jede Minute. So müssen wir mehrere neue Stationen stellen. Da muss auch strategisch vieles neu gedacht werden. Wir werden die Stationen aus den Tiefgaragen und Kellern holen. In der Rückschau gibt es natürlich auch Optimierungsbedarf und Punkte, die aufgearbeitet werden müssen. In der Summe können wir aber sehr zufrieden und stolz auf uns sein.